Vor dem gesamten Rudel verkündete er Denise als die neue Luna und hielt ein gefälschtes ärztliches Attest als Beweis für mein Versagen hoch. Als ich versuchte wegzugehen, wurde ich beschuldigt, sie angegriffen zu haben.
Lukas' Alpha-Befehl traf mich wie ein Peitschenhieb und zwang mich auf die Knie. „Sie hat eure zukünftige Luna angegriffen“, erklärte er, seine Augen voller Verachtung.
Sein letzter Befehl galt den Peitschen. Mit Silber durchzogen, rissen sie meinen Rücken auf, bevor seine Krieger mich wie Müll hinauswarfen und mich im Wald zum Sterben zurückließen.
Ich verlor das Bewusstsein durch den Schmerz und das Gift, nur um erneut als Gefangene aufzuwachen. Über mir stand der furchterregende Alpha unseres verfeindeten Rudels, Roman Moser. Er blickte auf meine zerfetzte Kleidung und meine blutenden Wunden, und seine Stimme war ein kaltes, fragendes Murmeln, als er die Worte wiederholte, die mich seit Jahren verfolgten.
„Eine nutzlose Wölfin?“
Kapitel 1
Julia POV:
Das erste Mal, als ich Roman Moser traf, war ich seine Gefangene. Die Erinnerung ist ein Schleier aus Schmerz und Angst, ein scharfer Kontrast zu der kalten, klaren Stimme, die in meinem Kopf widerhallte.
Es war eine Gedankenverbindung, ein privater Kanal zwischen Werwölfen, aber diese fühlte sich erzwungen an, invasiv. Romans Stimme, ein tiefes Grollen wie ferner Donner, sprach zu meinem Gefährten. Zu Lukas.
„Ich habe sie, Vogt. Deine kleine zukünftige Luna.“
Ich war an einen Baum gefesselt, mein Körper schmerzte, aber es war Lukas' Antwort, die mich wirklich zerbrach. Er war bei seiner neuen Geliebten, beobachtete den Sonnenaufgang, und seine Gedanken waren eine Welle des Ekels, die auf mich gerichtet war.
„Behalt sie“, drang Lukas' Stimme durch die Verbindung, bar jeder Wärme. „Bring ihr eine Lektion bei. Sie ist sowieso eine nutzlose Wölfin.“
Das war eine Rückblende. Ein Albtraum.
Jetzt, heute, zehn Jahre nachdem ich mich ihm zum ersten Mal verschrieben hatte, sollte meine Krönung stattfinden. Der Tag, an dem ich offiziell Luna des Silbermond-Rudels werden sollte. Alle sagten, es sei nur eine Formalität. Eine Feier eines Jahrzehnts der Hingabe.
Ich hatte mich geirrt.
Ich war auf dem Weg zum privaten Arbeitszimmer des Alphas, um Lukas zu finden, ein nervöses Flattern im Magen. Die Tür stand einen Spalt offen, und ich hörte seine Stimme, nicht durch die Gedankenverbindung, sondern seine echte, gesprochene Stimme, durchzogen von einer Grausamkeit, die ich jahrelang gezwungen hatte zu ignorieren.
Er sprach mit seinem Beta, Markus.
„Sie glaubt tatsächlich, heute ginge es um sie“, höhnte Lukas, und das Geräusch war, als würde mir Eiswasser über die Seele gegossen. „Es ist erbärmlich.“
„Was wirst du tun, Alpha?“, fragte Markus.
„Was ich schon vor Jahren hätte tun sollen. Eine Luna verkünden, die diesem Rudel tatsächlich einen Erben schenken kann. Denise ist fruchtbar. Julia ist nur ein unfruchtbares Feld.“ Lukas lachte, ein tiefes, hässliches Geräusch. „Ich gebe ihr drei Tage. Drei Tage, bevor sie angekrochen kommt und um jeden Brocken bettelt, den ich bereit bin, ihr hinzuwerfen. Willst du darauf wetten?“
Mein Herz zerbrach nicht nur. Es zerfiel zu Staub.
Ich machte mir nicht die Mühe, das zeremonielle weiße Kleid anzuziehen. Ich ging in meinen einfachen Jeans und einem dünnen Pullover zu der großen Lichtung, auf der die Zeremonie stattfand. Jedes Rudelmitglied war da, ihre Gesichter erwartungsvoll.
Lukas sah mich, und sein Gesicht verzog sich zu einer Maske der Wut. Sein Alpha-Befehl, eine Kraft, die niedere Wölfe zum Gehorsam zwingt, traf mich wie ein Schlag.
„Was soll das, Julia? Warum versuchst du, mich zu blamieren?“
Seine Stimme war ein tiefes Knurren, und ich spürte die Macht dahinter, die versuchte, meine Knie zum Einknicken zu bringen, mich dazu zu bringen, mich zu entschuldigen. Aber der Schmerz in meiner Brust war stärker als sein Befehl. Ich blieb standhaft.
Er sah den Trotz in meinen Augen und sein Ausdruck verhärtete sich. Er beschloss, seine Karten auf den Tisch zu legen.
„Mein Rudel“, dröhnte er, seine Stimme hallte durch die stille Menge. „Zehn Jahre lang haben wir auf einen Erben gewartet. Auf ein Zeichen des Segens der Mondgöttin. Es ist klar geworden, dass die Göttin einen anderen Weg für uns vorgesehen hat.“
Er deutete zur Seite, und eine junge Omega, Denise Kramer, trat vor. Sie strahlte, ihre Hand schützend auf ihren leicht gerundeten Bauch gelegt.
„Die Mondgöttin hat mich mit einer fruchtbaren Gefährtin gesegnet! Denise wird eure neue Luna sein, und sie trägt die Zukunft dieses Rudels in sich!“ Er hielt ein Stück Papier hoch – ein ärztliches Attest, eine billige Fälschung. Die Menge schnappte nach Luft, dann begannen langsam ein paar Speichellecker zu klatschen.
Ich weinte nicht. Ich schrie nicht. Ich fühlte nichts als eine kalte, hohle Leere.
Ich drehte ihm den Rücken zu, dem Rudel, das jetzt flüsterte und mit dem Finger auf mich zeigte, und ging weg.
„Drei Tage, Julia!“, folgte mir Lukas' Spott. „Ich werde darauf warten, dass du angekrochen kommst!“
Am Rande der Lichtung trat Denise vor mich und versperrte mir den Weg. Sie lächelte, ein selbstgefälliger, triumphierender Ausdruck auf ihrem Gesicht, und streichelte ihren Bauch. „Er gehört jetzt mir. Der Titel gehört mir. Die Zukunft gehört mir.“
Ein Funke Wut, heiß und roh, durchbrach endlich die Taubheit. Ich stieß sie zur Seite, nicht fest, nur genug, um vorbeizukommen.
„Sie hat unsere Luna angegriffen!“, schrie jemand.
Lukas war sofort neben mir, sein Griff wie Eisen um meinen Arm. Er sah es als einen Angriff auf seinen zukünftigen Erben.
Sein Alpha-Befehl krachte auf mich herab, absolut und brutal. „Knie nieder!“
Mein Körper verriet mich. Meine Beine knickten ein, und ich fiel in den Schmutz, die Demütigung brannte heißer als jeder körperliche Schmerz. Lukas blickte auf mich herab, seine Augen voller Verachtung.
„Sie hat eure zukünftige Luna und mein ungeborenes Kind angegriffen. Sie wird bestraft werden.“ Er nickte seinen Kriegern zu. „Die Peitschen. Mit Silber durchzogen.“
In dieser Nacht, nachdem die Hiebe meinen Rücken aufgerissen hatten, warfen sie mich raus. Verstoßen und gebrochen, stolperte ich durch den uralten Wald, der an unser Land grenzte. Das verdünnte Silber in meinen Wunden war ein langsam wirkendes Gift, das meine Sicht verschwimmen und meine Beine zittern ließ.
Ich brach in einem Haufen Blätter zusammen und verlor das Bewusstsein.
Als ich aufwachte, war es das schaurige Echo einer Erinnerung. Ich war an einen Baum gefesselt, diesmal am Rande einer Klippe. Eine große, imposante Gestalt stand vor mir, seine Silhouette dunkel gegen das blasse Mondlicht.
Es war der Alpha des verfeindeten Schwarzwald-Rudels. Roman Moser.
Seine Stimme war so kalt und scharf, wie ich sie aus diesem ersten Albtraum in Erinnerung hatte. Er musterte mich, sein Blick verweilte auf meiner zerfetzten Kleidung und den blutenden Wunden, und dann wiederholte er die Worte, die mich seit Jahren verfolgten. Die Worte, die Lukas gesagt hatte.
Er neigte den Kopf, seine Stimme ein leises, fragendes Murmeln. „Eine nutzlose Wölfin?“
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